16.01.2004 -
Der Bote
Musikprogramm für
Gourmets
Besonderes
Neujahrskonzert des Altdorfer Kulturkreises
ALTDORF -
Jammern ist angesagt - zumindest in vielen Neujahrsreden dieses Jahres. Da tut es umso
wohler, sich mal auf die angenehmen Seiten des Lebens zu besinnen. Die Altdorfer Notare
hatten wieder traditionsgemäß zu Pausensekt und einem musikalischen Jahresauftakt
geladen. Nach den amourösen literarisch-musikalischen Abenteuern mit Casanova im
vergangenen Jahr standen diesmal kulinarische Genüsse im Mittelpunkt des Altdorfer
Neujahrskonzerts: "Bella Donna" präsentierte ein exklusives "Dinner for
six" mit hochkarätiger "Tafelspitzenmusik".
Rot-schwarze
Wandgehänge schufen ein edles Ambiente im ausverkauften Betsaal des Wichernhauses, in dem
das internationale Damensalonorchester ein wahres kulinarisch-musikalisches Feuerwerk
abbrannte, das dem sichtlich amüsierten Publikum das Wasser im Munde zusammenlaufen
ließ. Zum festlichen Empfang kredenzten die Gastgeberinnen einen viel versprechenden
Ohrwurm des "größten Gourmets der Welt"; Gioacchino Rossinis
"Wilhelm-Tell-Ouvertüre", bei der die Solistinnen gleich zeigen konnten, wie
brillant sie ihre Instrumente beherrschen.
Treffsicher
ausgewählte und witzig vorgetragene literarische und biografische Texte
unterschiedlichster Provenienz führten durch eine erlesene Speisen- und Getränkefolge,
garniert mit beliebten Perlen aus dem Grenzbereich von E- und U-Musik und serviert in
klassischer Wiener Salonbesetzung (zwei Geigen, Flöte, Cello, Kontrabass und Klavier) mit
atemberaubender technischer Sicherheit, fein abgestimmtem Zusammenspiel und erfrischender
Musizierfreude.
Nach dem
Aperitif, dem "Champagner-Galopp" von Hans-Christian Lumbye, in dem Gudrun Bähr
aus Uruguay ihrer Querflöte und dem Piccolo prickelnde Klänge entlockte, konnte man sich
zu August Löhrs "Pikanterie" fast bildlich die erotisch-exzentrischen Genüsse
des "verrückten" Salvatore Dali vorstellen. Marcel Prousts philosophische
Gedanken über "Brunnenkressensuppe" leiteten über zum nächsten Gang: Franz
von Suppés "Schöne Galathee" mit klangvollen Cellokantilenen von Valerie
Sattler aus den USA.
Zum Fisch,
mit dem Madame de Pompadour den Sonnenkönig Ludwig XIV. für ihre Kochliebe begeisterte
(virtuos begleitet von Willy Baldamus "Forellenspielen"), gehört - spätestens
seit "Dinner for one" wohl jedermann bekannt - ein vorzüglicher Weißwein, um
Männer zur sinnlichen "Ekstase" (von Louis Ganne) zu verführen ("Alle
Männer muss man mindesten einmal aufkochen").
Wohin
übermäßiger Alkoholgenuss beim Essen(kochen) allerdings führen kann, wurde von der
Würzburger Kontrabassistin Katrin Triquart mit Loriots herrlichem Rezept "Truthahn
mit Whisky" vorgeführt: Zu "Klassik-Radio" mit Antonio Vivaldis berühmten
"Herbst" und einer untergeschobenen "Mondscheinsonate" bewiesen sie
neben ihrem instrumentalen Können atemberaubende Trinkfestigkeit und großes
komödiantisches Talent - die passende Einstimmung zur notariell gesponserten Sekt-Pause.
Tafel
Spitzbub
Als
Hauptspeise luden die "belle donne" ihre Gäste zu "Tafel Spitzbub"
(von Josef Rixner) und Beefsteak mit Rosmarin-Kartoffeln - dazu Fritz Kreislers
betörendes "Schön Rosmarin", bei der Sekundgeigerin Milada Schwarz aus Prag
als Konzertmeisterin brillierte. Bei all diesen opulenten Genüssen konnte man Mozarts
Wunsch nach einem schlichten "Butterbrot" gut verstehen, von der in Altdorf
lebenden russischen Konzertpianistin Julia Goldstein ebenso einfühlsam interpretiert wie
das "Tournament" von Louis Moreau Gottschalk.
Zum
fruchtigen Nachtisch gab es zwei Original-Arrangements für "Bella Donna" von
Wolfgang Manz: Prokofjews "Liebe zu den drei Orangen" und der Evergreen
"Yes, we have no Bananas" von Frank Silver. Endlich wurde nun auch der immer
wieder von Gudrun Bähr empfohlene giftblaue "Speziallikör Bella Donna"
allgemeiner Beachtung gewürdigt - seine stark erregende Wirkung war in Ernst Gröschels
"Intermezzo" grotesque" deutlich zu hören.
Das
virtuose Finale des exquisiten Gala-Diners bildeten Pablo de Sarasates berühmte
"Zigeunerweisen", in denen Primgeigerin Zsuzsa Zsizsmann ihre ungarische
Zigeunerleidenschaft in atemberaubenden Doppelgriff- und Flageolett-Passagen unter Beweis
stellen konnte.
Notar Jens
Kirchner bedankte sich stellvertretend für seine Kollegen für einen in jeder Hinsicht
gelungenen Schmaus. Das begeisterte Publikum war trotz (oder wegen) all dieser
kulinarischen Genüsse noch nicht gesättigt und erklatschte sich einige
"Nachschläge": Beim fröhlichen "Chianti-Lied" von Günter Winkler
durfte kräftig mitgesungen werden und bei Franz Lehárs "Dein ist mein ganzes
Herz" bekam Bürgermeister Rainer Pohl sogar noch seinen ganz persönlichen
Neujahrsgruß serviert. Mit Tschaikowskis feurigem "Trepak" verabschiedeten die
"sechs Klassefrauen aus sechs Nationen" ihre Gäste in ein neues Jahr, das
hoffentlich noch mehr Genüsse dieser Art bereit hält.
ULLRICH
REUTER |